Sehen Sie sich einige Arbeiten von Rekha auf Alamy an
Wer der Meinung ist, dass man Bücher nicht nach ihrem Cover beurteilen soll, hat offensichtlich noch nie im Verlagswesen gearbeitet. Verlage stecken viel Energie in das Coverdesign, in der Hoffnung, die Käufer damit beeinflussen zu können. Dabei fällt die Wahl nicht selten auf die Fotografien von Rekha Garton. Rekha beschreibt, wie sie im Verlagswesen Fuß gefasst hat – und wie man mit einfachen Mitteln viel erreichen kann.
Rekha Garton hat ein dunkles Geheimnis: Als Schülerin konnte sie Fotografie nicht ausstehen. Und das, obwohl sie jetzt mit Mitte 20 bereits die Bilder für über 50 Buchcover beigesteuert hat, darunter für große Verlagshäuser wie Penguin, Random House und Harper Collins, für Zeitschriften wie Cosmo, Elle und Vogue und Marken wie Ray-Ban und L'Oréal.
Rekha wurde in London geboren und zog im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie nach Norfolk, wo sie bis heute lebt. Bei der Wahl ihrer Abiturfächer war Fotografie das geringere Übel. „Ich wollte Kunst und Film studieren und Fotografie war das einzige Fach, das diese Bereiche anschnitt“, so Rekha. „Es hat mir dann aber überhaupt keinen Spaß gemacht! Ich weiß gar nicht mehr, warum, aber ich kam einfach nicht mit Film zurecht, einem Medium, das ich jetzt liebe.“
Aber ihr Kampfgeist motivierte Rekha, es weiter mit der Fotografie zu versuchen. „Es war das Lieblingsfach meiner besten Freundin und ich wollte immer genauso gut sein wie sie.“ Während des letzten Schuljahrs kaufte Rekha ihre erste Kamera („eine billige Kompakt“) und brachte sich selbst Photoshop bei. Sowohl Rekha als auch ihre Freundin hatten gute Noten und Rekha begann mit einem Fotografiestudium an der Norwich University of the Arts (NUA). „Sobald ich den Studienplatz in der Tasche hatte, habe ich den ganzen Sommer lang nur fotografiert“, erinnert sich Rekha. „Nach meinem ersten Jahr wusste ich, dass ich das auch beruflich machen wollte.“
Rekha begann, einige ihrer Fotos ins Internet zu stellen und konnte sich so noch während ihres zweiten Studienjahrs einen Vertrag mit einer Fotoagentur sichern. Sie reichte diverse Stock-Fotos ein, zu denen auch Selbstporträts gehörten. Nach ihrem Abschluss gönnte sich Rekha in Kanada eine Auszeit, wo sie in einer Bibliothek über ein Buch mit ihrem Gesicht auf dem Einband stolperte. „Das war so surreal. Ich hatte von der Agentur noch keine Info darüber gesehen und wusste nichts davon! Ab diesem Moment konzentrierte ich mich ganz auf Bucheinbände. Ich bin ein echter Bücherwurm und liebe es, dieser Welt anzugehören.“
Zu der Zeit hatte Rekha ein Jobangebot in Seattle angenommen, bekam aber Zöliakie und fiel aus. Es sollte über zwei Jahre dauern, bis sie sich davon erholt hatte. „Als ich wieder arbeiten konnte, wollte ich mich voll und ganz auf das konzentrieren, was mir am meisten gefällt, nämlich Bucheinbände“, erklärt sie. Fotografie für Bucheinbände macht den Löwenanteil von Rekhas Arbeit aus, sie ist aber auch in der Lebensmittel- und Modefotografie tätig. „Lebensmittel sind eher eine Art Hobby. Ich verwende die Bilder für meinen Blog über glutenfreie Ernährung.“
Das britische Verlagswesen ist stark auf London ausgerichtet, doch Rekha empfindet es nicht als Nachteil, in Norfolk zu leben. Ganz im Gegenteil: „Man sagt mir oft, dass ich nach London ziehen sollte, weil ich dort mehr Arbeit finde, aber glücklich wäre ich dort nicht. Wenn ich meine Arbeit nicht liebe, bringt mir das aber auch nichts. In London müsste ich ständig nach neuen Kunden suchen, um die horrenden Mieten bezahlen zu können. Hier habe ich Zeit, mich zu entspannen, und habe mein eigenes Haus mit Garten.“
Rekha nutzt minimales Equipment. Sie arbeitet mit einer Kamera (Canon EOS 5D Mark III) und zwei Objektiven, einem 100-mm-Macro der L-Serie (das sie für die meisten Projekte nutzt) und einem Tamron 24-70 mm. Auch die Location der meisten ihrer Aufnahmen ist eher überraschend. „Meine Modelle werden oft von anderen Fotografen gefragt, welches Studio ich für das Shooting gemietet hatte, und sind erst einmal baff, wenn sie erfahren, dass es mein Wohnzimmer oder meine Küche war“, so Rekha. „Rund 90 Prozent meiner Shootings finden zuhause oder in der Umgebung statt, in einem Park zum Beispiel. Zudem verwende ich natürliches Licht.“
Und träumt sie jemals von einer Welt, in der sie ständig um den Globus jettet, in schicken Locations fotografiert, mit zahlreichen Assistenten und Tonnen an Equipment? „Ich denke, solche Shootings sind eher nichts für mich“, erklärt sie. „Ich mag die Intimität meiner Arbeit. Wenn ich fotografiere, sind in der Regel höchstens drei Personen im Raum. So kam es auch, dass ich mich mit vielen meiner Modelle angefreundet habe.“
Als Beispiel nennt sie ein Modell, mit dem sie schon seit mehreren Jahren arbeitet. „Am Anfang war sie vor der Kamera noch sehr schüchtern, aber wir haben gerade erst sogar ein Unterwäsche –Shooting gemacht. Sie sagte zu mir: „Vor ein paar Jahren hätte ich das nicht gemacht. Du hast mir wirklich dabei geholfen, aus mir rauszugehen.“ „So eine Beziehung hätte ich in einem riesigen Studio mit 30 Assistenten nicht aufbauen können.“
Rekha arbeitet mit einem regelmäßigen Pool an Modellen sowie einer Visagistin zusammen, ist aber ständig auf der Suche nach neuen Gesichtern. Ein Modell fand Rekha bei einem Familienessen im Restaurant, ein anderes hat an einem College studiert, das Rekha besucht hatte. „Ich arbeite oft mit den gleichen Leuten, aber ein bisschen Networking schadet nie“, so Rekha.
Rekha ist sehr großzügig mit Ratschlägen für aufstrebende Fotografen (ihr Blog steckt voller toller Tipps) und hält auch Workshops ab. „Wenn man für Bucheinbände fotografiert, muss man eher wie ein Grafikdesigner denken als wie ein Fotograf.“
Für sie ist es sehr wichtig, dass professionelle Fotografen sich nicht unter Wert verkaufen sollten „Leider sehe ich viel zu oft, wie talentierte, junge Fotografen kostenlos arbeiten. Klar kann man argumentieren, dass man sich so ein Portfolio aufbauen kann. Aber die Miete kann man damit nicht bezahlen. Wenn meine Arbeit jemandem gefällt, nenne ich sofort meinen Tagespreis. Reguläre Büroangestellte würden ja auch nicht umsonst arbeiten, warum also Fotografen?
Als Fotograf darf man zudem nicht schüchtern sein. „Junge Fotografen trauen sich oft nicht, ihren Modellen konkrete Anweisungen zu geben, egal, ob es um die Pose oder eine bestimmte Bewegung geht. Wenn man aber nicht fragt, erhält man nie, was man will. Ich habe ein Modell einmal gebeten, an einem kalten Februartag ins Meer zu springen. Ihr hat das nichts ausgemacht und ich hatte mein Wunschfoto in der Tasche.“
Da der Verkauf gedruckter Bücher eine Art Renaissance erlebt, sieht die Zukunft rosig aus. Rekha erklärt aber auch: „Im Verlagswesen gibt es viele Trends, die sich schnell verändern können. Die Arbeit einzelner Fotografen ist dann vielleicht nicht mehr zeitgemäß.“ Rekha spielt mit dem Gedanken, mehr mit Bewegtbild zu arbeiten, ist sich aber sicher, dass „Bucheinbände weiterhin den Großteil meiner Arbeit ausmachen werden“. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes wartete Rekha auf die Veröffentlichung von „See me“ von Bestseller-Autor Nicholas Spark mit einem ihrer Fotos auf dem Einband.
Rekhas Einstellung zur Fotografie hat sich seit ihrer Schulzeit komplett gewandelt. „Das Leben als Fotografin ist einfach toll. Es ist nicht immer einfach, aber ich genieße es sehr, das zu tun, was ich liebe. Man weiß nie, wie viel man diesen Monat verdienen wird. Natürlich ist das etwas gruselig. Nach zwei Jahren hatte ich damit aber kein Problem mehr. So wenige Menschen lieben ihren Beruf und ich bin so froh, dass ich einer von ihnen bin.“
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