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Man muss Risiken eingehen, weil es auf der Welt so viele Fotografen gibt, die das Gleiche machen.
Der Fotograf Eric Lafforgue arbeitet am liebsten an Orten, zu denen Touristen eher selten reisen. Mit seinen ausdrucksstarken Bildern erfasst er das Wesen der dort lebenden Menschen und Kulturen. Seine Fotos bringen diese Orte einem internationalen Publikum näher. Eric erklärt uns, wie er die Momentaufnahmen macht, die viele andere Fotografen verpassen - und wie er in einigen der weltweit größten Krisengebieten arbeitet.
Würde man behaupten, Eric Lafforgue sei über die professionelle Fotografie gestolpert, dann wäre das stark untertrieben. Er hatte nie vor, Fotograf zu werden; er absolvierte nie eine Ausbildung zum Fotografen und er hätte nie erwartet, dass seine Fotos so gefragt sein würden. Außerdem arbeitet Eric oft an Orten, die viele andere Fotografen lieber meiden. Dazu gehören Länder wie der Iran, Syrien, Äthiopien, Somalia und Eritrea.
Erics bunte, lebendige Bilder sind bereits bei Ausstellungen in den USA, Europa und Asien gezeigt worden, sie zierten Bucheinbände, wurden in zahlreichen Werbeanzeigen abgebildet und in den unterschiedlichsten Publikationen veröffentlicht, u. a. in National Geographic, Vanity Fair, The Times, BBC Online, La Monde, Wired und Mail Online. Die Fotografie ist eine berufliche Laufbahn, die Eric viel Freude bereitet: „Fotografen haben das große Glück, an wundervolle Orte reisen und dort Aufnahmen von schönen Menschen machen zu können.“
Eric wurde 1964 in Pau, im Südwesten Frankreichs, geboren. Da sein Vater beim Militär war, zog die Familie oft um. Als Kind lebte Eric an vielen verschiedenen Orten, z. B. in Dschibuti, am Horn von Afrika, in Französisch-Guayana und Südamerika. „Ich glaube, nach all diesen Erfahrungen fing ich an, gern zu reisen“, sagt er.
Mit Anfang 20 begann Eric, für ein französisches Mobilfunkunternehmen zu arbeiten. Seine Aufgabe war es, sich Inhalte für Handys auszudenken. Diese Laufbahn verfolgte er knapp 20 Jahre lang sehr erfolgreich. „Dann wurde das Unternehmen übernommen und ich gefeuert!“, erinnert sich Eric. Er erhielt eine größere Abfindung, die ihm - damals 42 Jahre alt - das Reisen ermöglichte. Und Fotos wollte er auch machen. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits für das Fernsehen, die Presse, das Radio und die Musikindustrie gearbeitet, und ich dachte, jetzt versuch ich's mal mit der Fotografie“, erklärt er.
Eric wusste wenig über Kameras, aber er verfügte über ein großes Budget: „Ich ging in ein Fotofachgeschäft und fragte den Besitzer: 'Welche Kamera ist die beste?' Ich glaube, der hat sich sehr über mich als Kunden gefreut, denn er verkaufte mir eine Hasselblad H3D, die ein Vermögen kostet! Es ist eine großartige Kamera, aber zum Reisen eignet sie sich nicht. Sie ist eine Kamera für's Studio.“
Mit seiner zuverlässigen Hasselblad im Gepäck ging Eric also auf Reisen. Er besuchte den Jemen, Eritrea, Nordkorea und Papua-Neuguinea – alles nicht unbedingt die üblichen Touristenziele. „Ich mag keine viel bevölkerten Orte, an denen die Kultur für die Touristen gestaltet wird“, erklärt Eric. „Als ich Nordkorea zum ersten Mal besuchte, taten das nur sehr wenige Fotografen. Wenn Du in Staaten wie den Jemen oder Somalia reist, sind die Menschen dort sehr gastfreundlich, und sie sind von Deinem Besuch überrascht, also sind beide Seiten neugierig aufeinander.“
Als Eric nach Hause zurückkehrte, hatte er jede Menge Fotos und keine Ahnung, was er damit machen sollte. „Ein Freund schlug vor, sie auf Flickr hochzuladen“, sagt Eric, „und sehr bald weckten sie bei anderen Fotografen großes Interesse.“ Auch Publikationen wurden auf seine Bilder aufmerksam. „Mein erstes Foto verkaufte ich an The Economist, und dann zahlte mir das Magazin GEO Deutschland ein sehr gutes Honorar, um einen zehnseitigen Bericht über Papua-Neuguinea mit meinen Fotos zu illustrieren. Rasch wurde die Fotografie zu einem richtigen Beruf und war keine Freizeitaktivität mehr.“
Mit seiner Fotografie erfasst Eric die Kulturen, die Traditionen und die Lebensart von Menschen auf der ganzen Welt. „Als ich mit dem Fotografieren anfing, ging es mir sehr bald um die Menschen“, sagt er. „Mir gefiel der Gedanke nicht, für eine Aufnahme zwei Stunden lang auf das richtige Licht zu warten oder nachts um 3 einen Vulkan zu besteigen. Mit Menschen kann man sich unterhalten, nicht aber mit einer Katze oder einem Baum.“
Außerdem entschied sich Eric bewusst für eine proaktive Vorgehensweise: „Mir war klar, dass ich oft lange warten müsste, wenn ich nur herumsitzen und auf Aufträge warten würde. Ich beschloss, zu reisen und das als Investition zu behandeln. Man muss Risiken eingehen, weil es auf der Welt so viele Fotografen gibt, die das Gleiche machen.“
Um seine Investition bestmöglich zu nutzen, versucht Eric, seine Arbeiten bei mehreren Publikationen unterzubringen. Außerdem hat er seine Arbeitsweise angepasst: „Früher machte ich nur Fotos, jetzt lasse ich gern ganze Geschichten entstehen. Auf manchen Reisen mache ich auch Videos.“ Aktuell verwendet Eric eine Sony α7RII. Außerdem hat er für allgemeine Aufnahmen immer ein 24-70 mm-Objektiv dabei und eins mit 85 mm für Portraitfotos.
Bei seinen fesselnden Portraitaufnahmen setzt Eric auf eine geringe Tiefenschärfe. Diese Technik entdeckte er ganz zufällig: „Als ich mit dem Fotografieren begann, wusste ich noch nicht wirklich mit einer Kamera umzugehen. Bei meiner ersten Reise nach Syrien machte ich zum Beispiel alle Aufnahmen mit f/22! Ich war wie ein Affe mit einer Kamera! Als ich ein Kind in Oman fotografierte, fand ich heraus, dass ich Teile des Bildes verschwimmen lassen konnte, indem ich ein paar Einstellungen vornahm. Heute fotografiere ich mit f/1,8-2,2.” Eric macht seine Aufnahmen außerdem im RAW-Format. „Fotografieren in JPEG ist, als würde man ein Auto im zweiten Gang fahren. Wenn Du eine Kamera kaufst, dann verwende ihre besten Funktionen. Speicherkarten kosten heutzutage nicht viel.“
„Bei Portraitaufnahmen solltest Du immer an die Person denken und nicht an das Foto“, so Eric. „Das Licht ist auch wichtig: Wenn jemand in der Sonne steht, dann bitte ihn, in den Schatten zu gehen. Und Hintergründe sind wichtig. Für mich machen sie 50 Prozent des Bildes aus. So viele Leute machen gute Bilder, nur dass die Hintergründe mies sind.“
Auch zur Nachbearbeitung vertritt er einen klaren Standpunkt: „Wenn Du gutes Licht hast, wird das Bearbeiten sehr schnell gehen. Ich verwende Lightroom nur, um das Licht und die Farben abzustimmen. In einer Woche kann ich Tausend Bilder nachbearbeiten, weil ich sie dabei gar nicht so besonders bearbeiten muss. Wenn man für die Bearbeitung eines Fotos eine Stunde braucht, ist es kein sehr gutes Foto.“
Eric betont, dass es tatsächlich jede Menge Arbeit mit sich bringt, als Profifotograf zu arbeiten: „Ich arbeite heute härter, als ich es je für das Mobilfunkunternehmen getan habe. Es braucht viel Zeit, um eine Reise vorzubereiten, Fotos zu machen, sie zu taggen, Geschichten zu schreiben etc. Ich sage jungen Fotografen: „Wenn Du glaubst, dass Du einfach nur Fotos machen wirst, Dir eine Agentur besorgst und dann mit der Fotografie Geld verdienst, hast Du Dich geirrt. So einfach ist es nicht. Du musst an Deine Auftraggeber denken, und manchmal musst Du auch Fotos machen, die Dir gar nicht gefallen.“
Portraitaufnahmen macht Eric gern rasch. „Ich bezahle die Menschen, die ich fotografiere. Außerdem habe ich immer eine Polaroid-Kamera dabei und lasse ihnen ein Foto von sich da. Manche Fotografen denken, dass sie sich für die Vorbereitung der Aufnahme so viel Zeit nehmen können, wie sie möchten, da sie das Modell für das Portraitfoto bezahlen. Aber Menschen in armen Ländern verbringen oft sehr viel Zeit damit, zu arbeiten, und ich möchte nicht zu viel von ihrer Zeit in Anspruch nehmen. Für meine Portraits brauche ich normalerweise etwa 30 Sekunden.“ Eric ist auch der Ansicht, dass man unbedingt mit jemandem zusammenarbeiten sollte, der die Landessprache spricht: „Nur so kannst Du die Menschen kennenlernen, und Du kommst dadurch an Aufnahmen, die Du ohne diese Kommunikation nie hättest machen können.“
Manche Orte, an die Eric reist, können Fotografen vor echte Herausforderungen stellen - er wurde aus Nordkorea ausgewiesen, weil das Regime seine Aufnahmen nicht mochte. Aber Eric sagt, es sei nie wirklich besonders gefährlich für ihn gewesen: „Das einzige Mal war in Eritrea, als mich Soldaten festnahmen, weil ich mich in der Nähe einer Militärbasis befand. Glücklicherweise machte ich nur Aufnahmen von Affen.“
Der Schlüssel für möglichst ungefährdetes Arbeiten liegt laut Eric darin, „einen guten Scout zu haben, der sich mit der Gegend genau auskennt, und sich an die Ratschläge der Einheimischen zu halten. Das größte Problem ist ein betrunkener Mensch mit einer Waffe, also geht man in manchen Weltgegenden lieber, bevor die Leute eine Flasche öffnen.“
Eric hofft, dass er mit seiner Fotografie das Wesen der Orte einfängt, die er besucht - und damit meint er die guten wie auch die schlechten Seiten. „Bei vielen Orten sehen Menschen nur die Schönheit, die in ihnen verborgen liegt. Mit meinen Fotos möchte ich aber auch den sozialen Aspekt zeigen“, erklärt er. „Vielleicht sehen Sie auf einem Foto zwei wunderschöne junge Mädchen. Und vielleicht wird genau diesen Mädchen ein Dasein als Kinderbräute aufgezwungen. Die Menschen in Nordkorea sind nicht frei, aber sie lesen, lernen Musikinstrumente und treiben Sport. Es gibt immer eine gute Seite, sogar unter dem schlechtesten Regime. Und wenn man etwas Schönes zeigt, gibt es auch etwas nicht so Schönes, das man enthüllen kann.“
www.ericlafforgue.com