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Es gibt einen Unterschied zwischen dem Schießen von Fotos und dem Machen von Fotos. Ich denke, es ist schon so, dass heute viele Menschen zunächst Fotos schießen und anschließend in Photoshop das Foto machen.
Manchmal ist man mit den richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Manchmal verändern sich Technologie oder Markt aber derart schnell, dass man sich den neuen Herausforderungen anpassen und nach neuen Möglichkeiten suchen muss. Fotograph Brad Miller hat beide Szenarien erlebt. Miller wurde 1947 in Rochester, New York, geboren und stammt aus einer Fotografen-Familie. Sein Vater Ardean Miller war ein Wegbereiter der Farbfotografie und arbeitete für Eastman Kodak, bevor er sich mit großem Erfolg selbständig machte. Zu seinen Kunden gehörten große Fluglinien und Airstream Wohnwagen. Millers Brüder Bruce und Randy sind ebenfalls professionelle Fotografen.
Brad Miller studierte Fotografie an der Technischen Universität Rochester und arbeitete nebenher als Praktikant bei einer Firma, die auf Automobilfotografie spezialisiert war. „Ich habe mit Micky McGuire, einem der besten Automobilfotografen, zusammengearbeitet. Die Arbeit war sehr speziell, immer im 8x10-Format, also sehr komplex, sehr spezialisiert, und es wurden Assistenten gebraucht. Ich fand es sehr interessant“, erinnert sich Miller.
Nach dem Abschluss wurde er von der Firma eingestellt und begann seine lange und ausgezeichnete Karriere im Bereich Automobilfotografie. 1972 war Miller inzwischen verheiratet und machte viele Automobil-Fotoshootings, wollte aber unbedingt im Ausland arbeiten. „Ich wollte nicht in Detroit leben, wo alle Automobilfotografen wohnten. Als wir noch zur Schule gingen, musste Dad nach Europa, um dort einige Fotoshootings für Aistream zu machen. Deshalb entschloss ich mich, in Europa zu leben.“ Die Familie nahm sich ein Jahr frei und ging gemeinsam mit ihm nach Europa. Es war großartig, auf diese Weise Europa kennen zu lernen.
Miller und seine Frau reisten in einem alten VW Bus durch Europa und Miller verdiente zunächst sein Geld durch Fotografien für Kodak Kalender. Dann wurde er von einer amerikanischen Firma gebeten, bei einem Automobil-Shooting in Düsseldorf zu helfen. Im Anschluss daran stellte die Firma ihn als Autofotografen für ihren europäischen Betrieb ein, der in England ansässig war. Miller zog daher Mitte der 1970er Jahre nach Großbritannien, lebte im ländlichen England und reiste für viele Shootings quer durch Europa. Er lebte und arbeitete auch für sechs Monate in Paris.
„Der Schlüssel zu meinem Erfolgs war meine Fähigkeit, großformatige Fotos zu schießen“, erinnert sich Miller. „Zu dieser Zeit wurden Automobilfotografien in Europa mit 35mm Kodak Kodachrome gemacht. Dadurch, dass ich Fotos im Großformat schoss, war ich in Frankreich und Deutschland sofort erfolgreich – man konnte jedes Detail des Autos sehen. Mein Erfolg war darauf zurückzuführen, dass ich so stark spezialisiert war – nur sehr wenige Menschen konnten das, was ich tat.“ Seine technische Kompetenz half ihm zweifellos, aber genauso auch sein Auge für großartige Bilder. „Es gab viele Methoden, Autos eine Form zu geben, die nur Automobilfotografen bekannt waren“, so Miller.
Ihm wird zugeschrieben, durch die Art, wie er natürliches Licht nutzte, um das Aussehen des Autos zu verbessern, die Automobilfotografie grundlegend verändert zu haben – ein Prozess, der „liquid light“ (flüssiges Licht) genannt wird. Miller ist bescheiden was den Verdienst um die Entwicklung dieses Prozesses angeht. Zumindest aber hat er die Methode bekannt gemacht und viele andere Autofotografen beeinflusst.
Miller erklärt, was flüssiges Licht ist: „Vor Sonnenaufgang und Sonnenuntergang kann man einen natürlichen Farbverlauf vom Hellen zum Dunklen beobachten. Wir haben Autos nie in der Sonne oder mitten am Tag fotografiert, sondern nur am frühen Morgen. Jemand nannte das flüssiges Licht, weil es fast so ist, als würde man eine Flüssigkeit über ein Objekt gießen – die dadurch entstehende Reflexion ist gleichmäßig und mit weichen Übergängen. Ich kann nicht behaupten, dass „liquid light“ etwas ist, das ich erfunden hätte, aber ich habe diese Technik im Bereich Marketing angewendet und die Menschen sind darauf angesprungen.“
Ein weiterer Grund für Millers Erfolg ist seine Detailgenauigkeit, vor allem bei der Vorbereitung eines Fotos. Er prägte den Ausdruck „Pre-Touching“, der beschreibt, dass alle Elemente eines Bildes genausten ausgerichtet werden, noch bevor der Auslöser gedrückt wird. „Wir waren Perfektionisten und wollten eine Nachbearbeitung der Fotos weitestgehend verhindern. Wir haben Verkehrsschilder selbst entfernt – einfach alles, was wir nicht im Bild haben wollten. Unser Ziel war es, vom Diapositiv direkt zur Farbseparation übergehen zu können, ohne vorher retuschieren zu müssen.“
Heutzutage macht es Software wie Photoshop sehr einfach, Fotos nachzubearbeiten. Miller ist ein großer Fan von Photoshop, merkt aber an: „Es gibt einen Unterschied zwischen dem Schießen von Fotos und dem Machen von Fotos. Man kann wahrscheinlich sagen, dass heute viele Menschen zunächst Fotos schießen und anschließend in Photoshop ein Foto machen, aber wir haben das damals gleich am Anfang gemacht. Sogar bei Filmen nutzten wir Nachbearbeitungsmethoden wie Push-Entwicklung, um den Kontrast zu verbessern. Ich glaube, dass einige Fotografen durch Photoshop etwas schlampiger arbeiten, aber es ist ein hervorragendes Werkzeug und wenn dadurch das Endergebnis für den Kunden stimmt, ist das großartig.“
Von Mitte der 1970er bis Anfang der 1990er war Miller als Autofotograf sehr gefragt. Er reiste durch Europa und arbeitete mit vielen großen Automobilherstellern – sein größter Kunde war Mercedes Benz. Seine Arbeit wurde weitgehend für Marketing, Werbung, Poster und Kataloge verwendet. Anfang der 1990er begann sich der Markt jedoch zu verändern – digitale Technologien begannen sich auf die professionelle Fotografie auszuwirken.
Miller ist kein Technikfeind – er hat sich frühzeitig mit Digitalkameras befasst und arbeitet heute fast ausschließlich digital – aber damals konnte er zunächst nicht erkennen, wie Technologie jemals an die Qualität von Film heranreichen sollte. „Ich war sehr skeptisch, ob digitale Technik meine Erwartungen jemals erfüllen könnte.“ Aber die Technik entwickelte sich exponentiell weiter, gemeinsam mit Computersoftware. Das bedeutete, dass viele der Techniken, die Miller über Jahre hinweg perfektioniert hatte, nun mit der richtigen Ausrüstung und Software erreicht werden konnten. „Viel Arbeit im Automobilbereich wird heute per Computer erledigt, wo man einen Hintergrund und Reflexionen erstellen kann und diese dem Auto hinzufügt“, erklärt Miller. „Ich wollte so nicht arbeiten, da sich das zu weit von der Reinheit des 8x10-Formats entfernte.“
Miller war inzwischen wieder in die USA gezogen, aber da die Aufträge nun rückläufig waren, war ihm klar, dass er sich verändern musste. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte und experimentierte mit verschiedenen Sachen. So habe ich auch im Modebereich gearbeitet, wofür sich Vanity Fair interessierte. Dann habe ich noch in anderen Gebieten gearbeitet.“ Die Breite von Millers heutigem Portfolio ist Ausdruck seiner Vielseitigkeit als Fotograf und erstreckt sich von Modellen, Landschaften und Architektur über Natur und Flora bis hin zu Booten.
Miller ist inzwischen halbwegs im Ruhestand, auch wenn er immer noch das ein oder andere Auto-Shooting durchführt. Er verbringt viel Zeit damit, ein Bildarchiv zu erstellen. „Im Nachhinein wünschte ich, dass ich viel früher damit begonnen hätte, vielseitig zu arbeiten und ein Archiv aufzubauen. Das würde ich jedem Fotografen raten“, so Miller.
Welchen weiteren Rat kann Miller jungen, aufstrebenden Fotografen geben? „Alle wollen so etwas wie National Geographic machen, aber da ist der Wettbewerb überaus groß. Ich würde dazu raten, sich auf etwas zu spezialisieren, das sonst niemand macht. Mein Sohn ist beispielsweise biomedizinischer Fotograf. Man muss sich außerdem selbst vermarkten. Als ich angefangen habe, habe ich mein eigenes Logo entworfen. Das hat mir geholfen, bemerkt zu werden.“
Die Welt der professionellen Fotografie ist heute ganz anders als zu Millers Anfangszeiten. Nicht zuletzt dadurch, dass Technologie so vielen Menschen mehr den Zugang zur Fotografie ermöglicht hat. „Menschen, die früher keine komplizierte Kamera in die Hand genommen hätten, machen jetzt Fotos, weil alles automatisiert ist“, bemerkt Miller. „Das erschwert allerdings den Einstieg in die professionelle Fotografie.“ Durch die Vielzahl der Fotografen ist es heute besonders schwer, sich auf ein Gebiet zu spezialisieren, das sonst niemand anbietet. Aber es ist ein großartiger Beruf. Ich habe die Freiheit genossen, dann zu arbeiten, wenn ich es wollte. Und Fotografie ist eine wunderbare Art, sich selbst auszudrücken.“
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